Trauerrede Jan Lurvink

Eingangsspiel der Orgel: Adagio aus dem “Winter” von Vivaldi

Charlotte wusste genau, wo und wie sie gestreichelt werden sollte. Jeder Streichler hatte seinen Zuständigkeitsbereich, jede Streichlerin ihre zugewiesene Streichelstelle. Dass sie Streicheleinheiten in Mengen verdient hatte, war für Charlotte sonnenklar. Dass sie es wert war, liebkost zu werden, geliebt zu werden – und zwar nicht halbherzig, sondern vollherzig – das stand für sie ausser Frage.

Liebe steht mir zu.
Wie soll ich sonst Liebe verschenken?
Uns Menschen steht Liebe zu.
Wie sollen wir sonst Liebe verschenken?

Charlotte, Charlotti, Mausi war eine reiche Verschenkerin; nach dem paradoxen Geheimnis der Grosszügigkeit: Je mehr man verschenkt, umso reicher wird man.

Charlotte war ein kleines Mädchen und ein steinreicher Mensch. – Sie hat Euer aller Leben unsagbar bereichert.

Sie konnte hemmungslos einstreichen (oder -streicheln) und bedingungslos schenken. Was sie zu verschenken hatte, war leuchtend und “rein”, so habt Ihr Charlottes Gaben bezeichnet.

Durch ihre strahlenden Augen konnte man die Quelle erschauen, aus der sie schöpfte, die Quelle, aus der alle Liebe den Menschen wassergleich zuströmt, verdientermassen.

Es ist eine Liebe, die unerschöpflich ist und nicht von dieser Welt.

Kommen Kinder auf diese Welt, dann leuchten sie noch vor Sternenstaub, sind noch gepudert mit Himmelszucker – deswegen sind Kinder ja so süss. Das Leben geht dann in der Regel hin und klopft den Sternenstaub ab, so dass der
Mensch Wurzeln schlagen kann im Erdboden.

Ihr Körper war nicht geschaffen, um Wurzeln zu schlagen. Das Leben konnte ihr daher Sternenstaub und Himmelszucker nicht abklopfen. Das Leben konnte ihr die Freude nicht nehmen. Charlotte blieb die Tochter aus
Elysium und sie versprühte Freude wie leuchtende Götterfunken.

Freude heißt die starke Feder in der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder in der großen Weltenuhr.

So heisst es in der “Ode an die Freude” – ein Musikstück, das Charlotte nicht oft genug hören konnte.

Das Leben konnte ihr die Fröhlichkeit nicht nehmen, liess es aber nicht unversucht. Das Leben setzte ihr zu, oft genug und von Beginn an.

Am 17.7.2017 (eine schöne Zahl) kam sie auf diese Welt und wäre beinahe ertrunken. Sie hatte sich am Fruchtwasser verschluckt.

Vor einem Jahr wäre sie beinahe wieder ertrunken bei einem Badeunfall. Auch dieses bedrohliche Erlebnis verkraftete sie, und ihre Liebe zum Wasser blieb vollkommen ungetrübt, wie ihre wasserblauen Augen.

Das Leben setzte ihr, ihrem Körper zu. Sie stellte sich dem Kampf. Sie besass ein Aushaltevermögen und eine Willenskraft, die aussergewöhnlich waren.
Sie war gerüstet, als hätte sie gewusst, was auf sie zukommen würde.

Anfang diesen Jahres hatte sie wieder zu kämpfen. Es war schwer und belastend für sie und für Euch.
Im April wurde es besser. Sie bekam ein neues Medikament, so dass die epileptischen Anfälle fast ausblieben. Überhaupt machte sie neue Fortschritte.

Fortschritte waren in ihrem Falle immer eher Fortsprünge.
Im richtigen Moment machte es Klick – und sie konnte etwas Neues. Oder liess etwas Neues zu. Am Freitag noch, dem 18. Juli, liess sie sich von ihrer Oma erstmals eine Mütze aufsetzen – ohne Widerstand, als wäre nichts dabei. Anfangs jener Woche, am Montag, 14. Juli, fand im Kinderspital in Zürich die jährliche Kontrolluntersuchung statt. Alles in Ordnung. Eine Reha war geplant für Dezember. Alles auf gutem Weg.

Am Donnerstag, den 17. Juli, durftet Ihr ihren achten Geburtstag feiern. Acht Jahre Charlotte – Sonnenschein und Götterfunken und furchtbar hohe Hürden.
Sie blieb beim Vater. In der Nacht von Freitag auf Samstag erlitt sie einen heftigen epileptischen Anfall, der kein Ende mehr nehmen wollte.

Ein Notarzt kam und konnte nichts mehr tun.
Der Vater spürte es, wusste es. Es ist zuviel, sie schafft es diesmal nicht. Sie kämpft, aber sie kann nicht gewinnen.
Charlotte starb in der Nacht auf den 19. Juli um 2.22Uhr in Basel.

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, der Vater ists mit seinem Kind.
Dem Vater grausets, er reitet geschwind, er hält in Armen das ächzende Kind.
Erreicht den Hof mit Mühe und Not, in seinen Armen das Kind war tot.

Charlotte war eine Kämpferin. Ein “wahres Powergirl”.
Dennoch verlor sie den Kampf gegen ihre Krankheit, das Angelman-Syndrom.

Aber Ihr alle wisst es und spürt es: Ihr ganzes Leben ist und bleibt ein reiner unermesslicher Gewinn. Ihr plötzlicher Tod ist dementsprechend ein reiner unermesslicher Verlust.

Verloren geht Euch leibhaftig Eure Tochter, Eure Enkelin, Euer Sonnenschein, Euer Lichtblick, Euer Anker.

Verloren gehen Euch die Aussichten auf ein Leben mit ihr, voller Fortschritte und voller Kämpfe, voller Sorgen und Glückseligkeit.

Unverloren bleibt Euer Gewinn.
Ihr habt es in rührender Weise so formuliert:

Sie hat unser Leben maximal verbessert. Sie machte aus uns bessere Menschen.

Euer Gewinn ist unermesslich – so unermesslich wie Charlottes Erleichterung über ihre Befreiung von allen
körperlichen Einschränkungen und Zumutungen.

Wenn Charlotte hier und jetzt wahrnehmen darf, was sie Euch mit ihrem Wesen und Sein schenken konnte, werden ihre Freude und Fröhlichkeit keine Grenzen kennen.

Unermesslich wird ihre Dankbarkeit sein für alles, was Ihr für sie getan habt, für all die Kämpfe, die Ihr mit ihr und für sie ausgefochten habt. Für all die Liebe, die Ihr ihr geschenkt habt und für all die Liebe, die sie Euch
schenken konnte, die ihr offenen Herzens angenommen, nie ausgeschlagen habt.

Sie wird Euch, so lange Ihr lebt, in tiefster Dankbarkeit verbunden bleiben dafür, dass Ihr es ihr ermöglicht habt, der Welt Liebe zu schenken.

Acht Jahre lang konnte sie, dank Euch, eintauchen ins Irdische, um den Samen der Freude und der Liebe in den Erdboden zu setzen.

Nun darf sie auftauchen im Himmlischen und Luft holen und sich erholen und den Samen all ihrer Erfahrungen, ihrer Kämpfe, ihres Wirkens und Leuchtens in den
Himmelsacker setzen.

Was Charlotte war und durchlebte, wächst weiter im Himmel wie auf Erden – die Schönheit dessen, was hier wie dort aufwächst, können wir Menschen nicht begreifen,
aber vielleicht in unserer Herzensmitte erahnen.

Vielleicht konntet Ihr es erahnen am Ende jener schrecklichen Nacht. An jenem Samstag morgen ging die Sonne in Schönheit auf und vertrieb die Dunkelheit der
Nacht mit ihrem friedlichen, heilsamen Licht.

Freude lockt die Blumen aus den Keimen,
die Sonnen aus dem Firmament.

Aufgetan hat sich vor Euren liebenden Augen die Tür des Todes. Durch diese offene Tür ist Charlotte fortgesprungen. Durch diese offene Tür kann das Licht der anderen Seite in Euer Leben scheinen. Einem verstorbenen Menschen nachschauen, heisst
immer: Ins Licht schauen.

Wir schauen Charlotte nach und heben unsere Augen hoch zu unseren Herzen, wo sich der Himmel auftut und die Sonnen übers Firmament erheben. Und das Licht der anderen Seite möge uns erleuchten, so dass wir vielleicht erkennen können, dass wir die Tür zum Himmel in uns tragen – in unserem Herzen. Und dass diese Tür die ganze Zeit offensteht. Denn alles, was von Herzen kommt,
kommt vom Himmel. Und bei allem, was zu Herzen geht, geht die Himmelstüre auf.

Wir wollen Charlotte in unsere Mitte nehmen, sie beschenken mit Eurer Herzensoffenheit, mit Eurer Dankbarkeit, Euer immerwährenden Liebe. Wir wollen ihr
nachwinken durch die offene Tür. Und ins Dunkel der Trauer möge das Licht der anderen Seite scheinen.

Es mag fallen auf das, was Ihr fühlt als Schmerz in der Trauer; also auf die Liebe. Trauer ist verwundete Liebe. Was weh tut in der Trauer, ist die Liebe, die verwundet
ist. Und wenn die Trauer vergeht, dann wird die Liebe wieder heil und unvergänglich.

Wenn Charlotte sieht, wie Ihr um sie trauert, dann fühlt sie sich geehrt, geliebt, gestreichelt. Wenn Charlotte sieht, wie Ihr Eure Liebe gesundpflegt mit Achtsamkeit und
Zuversicht, dann fühlt sie sich selbst zuversichtlich und umsorgt. Wenn Charlotte sieht, dass Eure Trauer vergangen ist und Eure Liebe zu ihr geheilt –
dann findet sie ihren himmlischen Frieden und eine Gummibärchentüte voller Glück.

Froh, wie helle Sonnen fliegen, durch des Himmels prächtigen Plan, laufen Menschen ihre Bahn, freudig wie ein Held zum Siegen.

Charlotte hat den Kampf nicht verloren, sondern den Sieg davongetragen wie eine Heldin.
Was sie zurücklässt, sind bleibende Götterfunken.
Wir funken zurück, in dem wir hier vorne nun Kerzen anzünden.

Die Trauerfamilie wird Schwimmkerzen zu Wasser lassen. Denn vom Wasser fühlte sie sich magisch angezogen und niemals abgeschreckt. (Sie hörte jeden Brunnen schon von weitem.)

Anschliessend könnt Ihr nach vorne kommen und eine Kerze anzünden und in die Sandschale stellen.

Diese Kerzen sollen symbolisch Eure Erinnerungen an, Eure Empfindungen für Charlotte zum Vorschein bringen. Ihr zündet die Kerzen an, damit es Euch und uns
allen warm wird ums Herz. Und diese Wärme soll wie ein Licht den weiteren Weg von Charlotte beleuchten und ihr helfen, sich zurechtzufinden dort, wo sie jetzt als
strahlende Siegerin ankommen darf.

Wir hören zu Beginn ein Stück aus Mozarts Requiem, um auch das Schwere und Leidvolle anklingen zu lassen, das sie und Ihr immer wieder überwinden musstet.

Anschliessend das Stück: Somewhere over the rainbow.

Im Licht der Kerzen mag sich erhellen, was Charlotte zurücklässt im Leben und Empfinden ihrer Mitmenschen. Im Licht der Kerzen mag aufleuchten, wer Charlotte
war in ihrem Innersten als Mensch. Das Licht der Kerzen mag brennen als ein Zeichen Eures Mitgefühls mit Charlotte und Eurer bleibenden Verbundenheit mit ihr.

Was im Leben zählt, ist nicht, dass wir gelebt haben. Sondern, wie wir das Leben von anderen verändert haben.

Dieses Zitat von Nelson Mandela erschien Euch passend zum Wesen und Wirken von Charlotte.

Wir haben den Vater gehört, wie sehr Charlotte ihn und sein Leben veränderte zum viel viel Besseren hin.

Sie machte aus uns bessere Menschen.

So habt Ihr es auch bei unserem Gespräch
formuliert. Ihr habt Eure Tochter bezeichnet als Euren “Sonnenschein”, als “Lichtblick”, als “Anker”, als “Vorbild”.

Sie war bedingungslos für uns da. Sie merkte immer, wenn es einem nicht gut ging und wollte einen dann umarmen. Umarmen am liebsten mit maximaler Kontaktfläche.

Sie liebte es, wenn Ihr alle zusammenward und spannte alle ein, und wies jedem und jeder eine Streichelstelle zu.
Sie war neugierig und sie konnte sich endlos vergnügen mit einer Petflasche etwa oder einer Kartonschachtel – vergnügen und begnügen.

Sie liebte Betrieb, Bewegung und Geschwindigkeit – siehe “Rollstuhlrennen”.

Sie liebte es, zwischen Mutter und Vater zu wechseln und dann an die Wenkenstrasse.

Sie freute sich, im Schul- und Förderzentrum Wenkenstrasse zu sein und Freude zu verbreiten. Einer der Betreuer gestand Euch einmal, sein Highlight am Morgen sei es, wenn Charlotte auftauchte.

Sie konnte nicht sprechen, aber leuchten – und verlautbaren, ihren Willen oder Unwillen mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen.

Sie liebte Lautmalerei also und Musik. In einem ihrer Bilderbücher konnte sie auf Tasten drücken, worauf Musikstücke erklangen.

Eine ihrer Lieblingstasten spielte das Adagio aus dem Winter von Vivaldis Vier Jahreszeiten. (Darum hörten wir das Stück zu Beginn.) Eine andere spielte die Ode an
die Freude, das wir zum Abschluss hören werden.

Mozzarella, Glacé, Kuchen, Cranberries, Gummibärchen.
Sie ass, was sie essen wollte – alles andere nicht. Sie sah, was sie sehen wollte (trotz Sehschwäche) z.B. kleinste Kuchenkrümmel auf dem Sofa.

Sie verbat sich also eine Brille. – Ebenso vehement weigerte sie sich, einen Helm zu aufzusetzen.

Sie führte, trotz ihrer Behinderung ein selbstbestimmtes Leben

So formulierte es ihre Mutter. Und Schuhe, wer braucht schon Schuhe? oder Socken? – Kein fröhlicher Mensch!

Regelmässige Portionen ihrer Fröhlichkeit bekamen ihre Grosseltern geschenkt. Die Grosseltern reisten mehrmals im Jahr nach Basel, um Charlotte für zwei/drei
Wochen zu hüten.

Die Oma hütete sie möglichst oft und empfand die Zeit mit Charlotte wie Ferien, als Erholung, als Oase.

Bei unserem Gespräch hob der Vater hervor, dass die Mutter keinen Aufwand scheute, um für die beste medizinische Betreuung zu sorgen. Die Mutter gestand, es sei ein ständiger Kampf gewesen und sie habe sich oft als Bittstellerin gefühlt.

Ein Kampf, der Früchte trug: Es war alles auf gutem Weg.
«Wieso jetzt? Es war doch alles gut. Sie war doch stark». So brachte die Wohngruppe Morgana ihre Erschütterung zum Ausdruck. Und schrieb weiter:

Aber es spendet Trost, dass sie in der letzten Phase ihres Lebens ein paar wirklich wunderbare Monate voller Lebensfreude und Zuversicht haben durfte. Ihre blauen Augen brachten uns ein Strahlen entgegen, als wollte sie sagen: Ich bin glücklich, mir geht es gut.

Sie konnte einen Raum erhellen mit ihrer blossen Präsenz. z.B. im Altersheim. Sie war offen, auch fremden Menschen gegenüber, lächelte frei heraus und bekam ein
Lächeln zurück.

Nicht werweissen, einfach lieben.
Sie konnte das Wichtige richtig tun.

Wir haben den Vater gehört:

Ich habe sie mehr gebraucht, als sie mich. Ich habe von ihr mehr gelernt, als sie von mir.

Als er sich einmal mit einem Freund unterhalten habe und bedauert habe, dass seine Tochter in der Gesellschaft keine Aufgabe würde erfüllen können, da habe dieser
Freund energisch widersprochen mit den Worten:

Ihre Aufgabe ist es, Liebe zu schenken.

Das tat sie. Das konnte sie. – Weil sie Liebe geschenkt bekam, von Euch.

Wir Menschen haben die ehrenwerte Aufgabe, jene Liebe, die nicht von dieser Welt ist, in den Erdboden zu setzen, auf dass sie Wurzeln schlage und keime und aufblühe.
Wir Menschen sind auf der Welt, um zu leuchten.
Dadurch verändern wir das Leben unserer Mitmenschen und den Lauf der Weltgeschichte.

Jeder einzelne Mensch, der leuchtet, richtet ein Heil an, das unermesslich wertvoll ist.

Jeder Mensch, der liebt, setzt ein Licht in die Welt, das unvergänglich ist und die Dunkelheit des Weltenraums mit Leichtigkeit und rasender Geschwindigkeit durchdringt.

Vom Himmel aus betrachtet, ist jeder Mensch, der liebt, ein hell leuchtender Stern. Jeder Mensch ohne Liebe aber, mag er noch so mächtig und weltberühmt sein, bleibt
unkenntlich in der Dunkelheit verborgen.

In der Mitte Eurer Trauer, Eures Wesens und Seins gibt es diese Quelle des Lichtes und der Freude, gibt es das himmlische Bällebad, den friedlich-entspannten Snoezelraum. Seid dort, wenn Charlotte Euch sucht, lasst Euch finden von ihr und findet sie. So werdet ihr verbunden mit ihr und verbunden mit dem lichtvollen Ort,
woher alle Kinder kommen, gepudert mit Sternenstaub und Himmelszucker. So werdet Ihr verbunden mit dem Himmel in Euch selbst.

Es ist der Himmel in Eurem Herzen, der Eure Zeit auf Erden mit Licht und Sinn überspannt, der aufgeht in Euch, jedesmal wenn Ihr erfüllt seid von Verbundenheit,
Nachsicht, Dankbarkeit, Verständnis, Hilfsbereitschaft und Liebe. Der Himmel geh auf jedesmal, wenn Ihr erfüllt sein von Wertschätzung für Eure Mitmenschen und besonders von Wertschätzung für Euch selbst.

Ich lade Euch ein, in der folgenden Stille Platz zu nehmen im sternklaren Snoezelraum und Euren Herzenshimmel zu öffnen. Zeigt Charlotte, was Ihr fühlt, was Euch auf dem
Herzen liegt, sagt ihr innig und still, was Ihr ihr noch sagen möchtet. Wer kann, mag sich zu dieser Stille jetzt erheben.
Wir öffnen unsere Herzen besonders auch für die Trauerfamilie und für alle, die um Charlotte trauern.

Möget Ihr die Grenzenlosigkeit menschlicher Liebe erleben und erfahren, dass Eure Verbundenheit mit Charlotte, Charlotti, Mausi unendlich ist. Möget Ihr erfahren, dass
sie all das vernehmen kann, was Ihr ihr noch sagen möchtet, dass sie all das fühlen kann, was Ihr fühlt.

Möge Eure Trauer Raum finden und alle Zeit der Welt.
Möget Ihr fühlen, was Ihr gewinnen könnt aus dieser Trauerzeit an Kraft und Weisheit für Euch selbst und für Eure Mitmenschen.

Wir begleiten im Anschluss an diese Feier die leibliche Hülle zur Beisetzung. Symbolisch begleiten wir Charlotte auf ihrem Weg vom Irdischen ins Himmlische und
bedeuten Ihr: Du bist und bleibst nicht allein.

Nach der Beisetzung seid Ihr alle herzlich eingeladen in den Erlensaal. Sie liebte die Lange Erlen.
Findet zusammen in ihrem Geist, im Geist der Liebe und Offenheit. Teilt miteinander, was Charlotte Euch schenkte und wie sehr sie Euch fehlt.

“In schweren Zeiten”, so formulierte es die Wohngruppe Morgana, “hätte sie uns gesagt: Ihr müsst Euch keine Sorgen machen. Glaubt mir, ich pack das. Schliesslich
habe ich Euch – und Cranberries.”

So wollen wir uns denn keine Sorgen machen.
Sondern die “Ode an die Freude” hören, die sie so gerne hörte.

Vielleicht sehen wir Charlotte vor uns als Powermaus aus Elysium, die Götterfunken purer Freude versprüht, deren
Zauber bindet, was der Mode Schwert geteilt. Die aus Bettlern Fürsten macht, wo immer auch ihr sanfter Flügel weilt.

Schlussmusik: Ode an die Freude

Am Grab

Ihre Aufgabe war es zu leuchten, Liebe zu schenken, Freude zu verbreiten.

Aufgabe erfüllt!

Sie hat Euer Leben erfüllt, hat Euch beschenkt und erhellt, befreit und beseelt. Wahrlich: Sie lockte die Blumen aus den Keimen und die Sonnen aus dem Firmament.

Wir verneigen uns vor ihrer leiblichen Hülle, die es ihr ermöglichte, den Samen der Liebe und der Freude in die Erde zu setzen und Eure Leben zu verändern, zum
Besseren und Reinen hin.

Wir geben ihr sterbliches Gewand der Erde zurück und heben zugleich unsere Augen himmelwärts zu Charlotte. “Sie ist frei, sie kann nun überall und alles sein.”

Der Vater schrieb: “Die Sehnsucht war stets Teil unserer Beziehung. Du warst mal hier, mal dort und schliesslich bei mir.”

Charlotte wird mal hier sein, mal dort und schliesslich und endlich und immer bei Euch.

Charlotte darf sich fröhlich erheben über alles Beschwerliche, Leidvolle. Sie darf sich ausbreiten auf ihre wahre Grösse. Sie darf sich aufschwingen auf die Höhe allen Geschehens. Von der Höhe allen Geschehens werden wir Menschen heruntergeboren auf die Erde, um das Leben am eigenen Leib, mit voller Wucht zu erfahren, um die Welt zu bestaunen, zu erleiden, zu belauschen, zu berühren – um etwas Neues zu erringen und die Welt in eine ganz neue Bewegung zu versetzen.

Die Erde mag im Universum verschwindend klein wirken. Und doch ist das, was jeder einzelne Mensch auf dieser winzigen Erde treibt und trägt auf geheimnisvolle Weise
weltbewegend.

Charlotte hat die Welt bewegt – als kleines Mädchen und als steinreicher Mensch.

Sie hat Euer Leben bereichert. Ihr könnt diesen kostbaren Schatz in Euch fühlen. Wir sind nicht hier, um diesen Schatz zu vergraben. Charlotte nimmt diesen Schatz mit. Er
ist ihr Geschenk an den Himmel. Sie bereichert den Himmel mit alldem, was sie Euch hat sein und geben können. Und ganz besonders bereichert sie den Himmel mit alldem, was sie von Euch bekommen hat.

So wird mit dem Tod eines jeden Menschen die Erde ein Stück ärmer, aber der Himmel ein ganzes Stück reicher.
Und wenn Ihr von hier weggeht, lasst Ihr Charlotte nicht hier zurück. Ihr nehmt sie mit. Und sie geht mit Euch mit, sie bleibt strahlend, lautmalend an Eurer Seite, mit
ihrer ganzen Fröhlichkeit und Liebe, so lange Ihr lebt.

So lange Ihr lebt, bleibt Charlotte Eure Tochter, Eure Enkelin, Euer Sonnenschein, Euer Lichtblick, Euer Anker, Euer Vorbild.

Sie robbt jetzt – ganz Powermaus – auf dem Hosenboden übers Himmelszelt, verteilt Farbkleckse der Fröhlichkeit und wird gestreichelt vollherzig und ohne Ende. Und die
Cranberries- und Gummibärchentüten werden niemals leer sein.